Dienstag, 20. Juni 2017

Tag 05: 37° und das Huschen von Schatten zu Schatten

Heute schon um 7:00 Uhr gefrühstückt und gut eine Stunde früher losgekommen. Ordentlich warm ist es trotzdem bereits. Immerhin kühlt es nachts noch ordentlich ab, so daß das Schlafen bei offenem Fenster sehr erholsam war.

Statt wie bisher täglich 2 Liter Wasser mit auf den Weg zu nehmen, habe ich auf 2,5 Liter aufgestockt (maximal kann ich 3x1 Liter mitnehmen - aber es muß halt erst mal getragen werden ...). Das Frühstück war reichlich und mit frischem Schwung erreiche ich schnell den Nachbarort Zagersdorf. Dort geht es dann steil bergan und Weinberge säumen wieder die Straße.

Plötzlich rennt von links nach rechts direkt vor meinen Füßen ein Fasanen-Männchen über den Weg. Ich bin wie vom Donner gerührt: Ich habe die  Kerle noch nie rennen sehen (die Beine bewegen sich so schnell, daß mein Auge ähnlich reagiert wie bei Propellern, deren Drehung man ja auch ab einer gewissen Geschwindigkeit nicht mehr erkennen kann), sondern immer nur laut schimpfend davon fliegen.
Es kommt mir vor, wie eine dieser Szenen aus Roadrunner und ich bin dann wohl der böse Kojote, der gerade schweißtreibend einen Hinkelstein für den nächsten Anschlag auf den Berg schleppt und der gut gelaunte - miep, miep - saust mir quer vorbei über die Füße ... *lol*

Schon bald habe ich gute Ausrede, in den Schatten einer Kapelle zu flüchten: Das GPS braucht frische Akkus (apropos: die muß ich dann gleich noch ins Ladegerät stecken ...) und auch ich mache gleich mal eine Pause, die auch gleich genutzt wird, Zimmer für heute zu buchen. Momentan buche ich immer erst vormittags für den aktuellen Tag.


Es soll heute bis Mattersburg gehen, ich verzichte also auf ca. 9 Kilometer der aktuellen Etappe, um aus den 62 km von zwei Etappen, stattdessen drei Etappen mit je um die 20 zu gehen: Das paßt mir momentan - gerade auch in Anbetracht der Hitze besser, An den letzten beiden Tagen hatte ich schon nicht verstanden, warum der Wanderführer so asymmetrisch geteilt hatte - aber etwas Potential zum Feilen ist ja auch ganz nett ;-)

Zurück zur Reservierung: Die Tage war Mattersburg angeblich ausgebucht, nun zeigt Booking.com Hotelzimmer für 112,- EUR. Nein, danke.
Ich erinnere mich an meine Erfahrung aus 2014 im Pustertal: Immer die verschiedenen Portale prüfen, denn oft werden die Einzelzimmer nicht richtig angezeigt, sondern der volle Doppelzimmerpreis (evtl. steuern das die Hoteliers aber auch gezielt). Also flugs HRS-App geöffnet und prompt wird das gleiche Zimmer um 56,- EUR angezeigt. Gebongt. Geht doch.

Ein Weilchen geht es noch bergauf, dann prüfe ich auf Basis der Warnschilder am Weg noch schnell, ob die Windkraftanlagen auch keine Eisbrocken abwerfen. Ergebnis: Bewegen sich nicht. Können also nix abwerfen.
Und schon geht es wieder die mühsam erarbeiteten Höhenmeter den Berg hinab, erst auf einem Weinbergweg, dann über eine Wiese. Gott sei Dank, unlängst gemäht, Markierungen Fehlanzeige, GPS-Karte eindeutig.

Ein Feldweg führt dann kurz vor dem nächsten Ort wieder zu einem Rad-Rastplatz. Echt nett, mit diesen Sonnensegeln. Ich trockne mich erstmal im Schatten. Nach einer Weile geht es durch den Ort und über einen Hügel.
Immer wieder sehe ich nichts mehr, mangels Scheibenwischern: Der Schweiß rinnt mir nur so in die Augen. Ich brauche momentan mehr Taschentücher dafür als für andere Zwecke. Da die Tagesration nur ca. 3 Stück beträgt, ist es ganz angenehm, daß die Schweißtücher auch schnell wieder trocknen.

Ich finde in einer Art Parkanlage ein ehemaliges Kloster. Traumhaft gelegen.
Die Wiese ist in der Sonne und erlaubt Hut, Handschuhe, Hemd & Co zum Trocknen auszulegen, während ich Mittag im Schatten der WINTERlinde mache, mit Bank und Rückenlehne. Hier läßt es sich aushalten.


Irgendwann muß ich aber denn doch mal weiter. Am Waldrand hole ich ein älteres Ehepaar mit Lara, einer 5,5-jährigen hübschen Hündin (das weiß sie wohl auch genau - sagen die Besitzer), ein. Wir unterhalten uns ein wenig und ich bekomme noch einen Gruß an den Hotelchef mit, da er und der Herr aus dem gleichen kleinen Ort stammen.

Ein Rehbock im Getreidefeld verrät sich wie bereits einige seiner weiblichen Artgenossinnen in den letzten Tagen: Wenn man die Stelle gerade passiert hat, wo sie unsichtbar im Feld verborgen stehen, hört man plötzlich ein Geräusch, wie wenn der Wind über ein Getreidefeld streicht. Im Unterschied zum Wind, wird man aber spätestens beim dritten Rauschen misstrauisch und schaut, denn es ist für Wind einfach zu rhythmisch. Der Rehbock sieht wirklich lustig aus, wie er in weitem Halbkreis durch das Feld springt, um am Ende VOR (wäre er stehen geblieben oder einfach hinter mir vorbei geschlichen - niemand hätte es überhaupt bemerkt) mir den Weg zu queren und im Wald zu verschwinden: Er hat durch das Eintauchen und Rausspringen mit seinen Hörnchen jede Menge Getreideähren abgeerntet, die nun seinen Kopf garnieren ;-)

Die Wegbeschreibung der beiden kann ich nicht ganz nachvollziehen, den Wanderführer auch nicht, aber es ist vor Ort einfach eindeutig: Der Waldweg endet an - nein - in einem Rapsfeld. Alternativlos. Ausweglos.
Das GPS ist sich auch sicher, daß wie überall beschrieben sich hier sogar 3 Fernwanderwege treffen und ca. 200 Meter nach Norden führen. Durchs Rapsfeld ?
Durchs Rapsfeld !
Es gibt einen angedeuteten Pfad, wo bereits Pflanzen umgedrehten sind. Für eine Tierspur ist es eigentlich zu ausgeprägt, da der Raps ja doch ca. 1 Meter hoch und recht widerstandsfähig ist. Also los ...

Es sticht und hakt und hängt und beißt aber ich kämpfe mich irgendwie durch. Am Ende drohen noch Brennnesseln, aber führt eine ca. 1 Meter breite Spur hindurch. Definitiv von Menschen gemacht. Mysteriös.

Das Ergebnis zählt: Die Forststraße ist erreicht und nun geht es weiter gen Westen und wieder bergauf durch den Wald. Leider steht die Sonne im Westen und der Wald ist meist nicht dicht genug. Ich tropfe schon wieder wie ein Kieslaster.

Als der Wald mich auf dem 02er-Alternativ-Weg oberhalb von Walbersdorf ausspukt, ist wieder eine Trocken- (und Entspannungs-) Pause angesagt.


In Ermangelung einer Bank oder Ähnlichem muß der Grenzstein als Sitz dienen und die sind hier wirklich nobel. Nur Rückenlehnen haben sie natürlich keine.
Die Wiese und die vom Himmel herunter blitzende Sonne trocknen immerhin ratz-fatz Hut und Klamotten, während ich mir die Wasservorräte für den verbleibenden Weg einteile.
Am Rohrbacher Kogel bin ich wohl gerade. Die ausgedörrten Wiesen sprechen eine andere Sprache als die von Bächen oder Rohren und auch beim Blick auf die hier jetzt plötzlich zu Hauf anzutreffenden Schilder, Wegweiser und Markierungen (vermutlich anderes Zuständigkeitsgebiet) zweifle ich mal wieder am Verstand unserer Nachbarn aus der Alpenrepublik: Ich durchstoße jetzt nämlich eine Variante des NORD-Alpen-Weges gen NORDEN mit meiner Zentralalpenweg-Variante.


Verstehe einer die Österreicher ;-)

Den Berg hinab und nur noch ein paar Kilometer ...


Am Hotel angekommen, verdunstet 1 Liter Johannisbeer/Leitung noch während ich den Gästeschein ausfülle. Puh, geschafft.


Begegnungen:
2x Fasanenmännchen
Rehbock
Lara und Besitzer
Kellner im Hotel, der schon im Kanada im Schnee und in Kasachstan (über 4.200m) auf der Jagd mit Guide und Zelt war

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