Mittwoch, 26. Juli 2017

Tag 39: Wenn Naturgewalten wüten

Wie in den letzten Tagen stimmt der Wetterbericht mal wieder nicht annäherungsweise: War es in den letzten Tagen deutlich besser als erwartet/befürchtet, so ist es heute umgekehrt, bereits am frühen Morgen regnet und gewittert es.

45 Minuten warten Gert und ich ab, aber um 08:30 Uhr machen wir uns in Regenmontur dann trotzdem mal auf die Socken.

Das Wetter ist richtig mies und wir stapfen zunächst über Skipisten, die teilweise bereits bis zu 10 cm im Wasser des Dauerregens versunken sind, bergab. Unweit des Hochwurtenspeichers treffen wir auf eine Straße, die oberhalb des Weißsees gen Südosten zum Alpincenter Weißseehaus führt.

Dort wollen wir wegen des anhaltenden Donners - die Blitze sieht man wegen des dichten Nebels nicht - etwas abwarten und erneut beratschlagen. Das Haus ist leider komplett verschlossen und sogar die Tür der verglasten Veranda ist mit einer Schaufel von innen blockiert, so daß wir nicht mal irgendein trockenes Plätzchen finden.

Zwei Wetterfronten prallen hier wohl gerade aufeinander und damit verbundene Frontgewitter sind unkalkulierbar. Der Sadnig-Höhenweg führt über zwei Übergänge mit über 2.500 bzw. knapp 2.700 Meter. Bei Gewitter keine gute Idee, auch wenn der Weg laut dem Wirt der Duisburger Hütte einfacher sein soll als die letzten Tage. Die hereinziehenden Wolken haben jetzt auch noch die Sichtweite auf deutlich unter 100 Meter gedrückt.

Gert entscheidet sich, zur Duisburger Hütte zurück zu gehen, da Sebastian & Co definitiv auch nicht auf den Sonnblick steigen, sondern sobald das Wetter etwas besser wird, über die Fraganter Scharte zurück nach Süden zur Duisburger Hütte kommen werden. Auch ich werde unter diesen Bedingungen nicht den Sadnig-Höhenweg in Angriff nehmen.

Wie hat eine weise Frau unterwegs mal zu mir gesagt: Lieber fünf Minuten feige, als ein Leben lang tot.

Wir verabschieden uns also im Regen und ich stapfe die Straße zur Mittelstation hinab. Kurz vor der Station der Standseilbahn aus dem Tal geht der Fußweg ins Tal rechts ab: 2,75 h - aber bei dem Wetter über einen Pfad der einem Flußlauf gleicht ?
Nein, danke.

An den Bahnen ist der Betrieb augenscheinlich gerade eingestellt und keine Menschenseele zu sehen.
Ich suche in der Station der Standseilbahn (Talanbindung des Mölltaler Gletschers) und in der Station der Gondel, die hoch auf 2.800 Meter ins Skigebiet führt, nach irgendjemand vom Personal werde aber erst im zweiten Anlauf fündig.
Im Ergebnis ist der Betrieb für heute komplett eingestellt, die Fahrstraße ins Tal 11 km lang und in der Nähe der Talstation gibt es wohl ein Hotel/einen Gasthof.

OK, das klingt nach einem Plan. Die Straße führt erst etwas bergauf, am Hang entlang durch einige Lawinengallerien und dann in Serpentinen hinab zum Wurtenspeicher. Die Straße und die Schutzeinrichtungen sind teilweise augenscheinlich schon etwas in die Jahre gekommen, um nicht zu sagen etwas marode. Murenabgänge sind gerade mal so weggeräumt, daß man durchfahren kann, die meisten Leitplanken fehlen entweder ganz oder liegen verbogen neben der Straße.
Nachdem mir Gert gestern Abend noch Bilder vom kläglichen Gletscherrest gezeigt hatte, die er bei seinem Nachmittagsausflug gemacht hatte, würde ich meinen der Zustand der Straße paßt dazu.

Nach dem Wurtenspeicher kommen noch zwei Tunnel, wobei ich die Anweisung nur mit Warn- sowie Handleuchte durchzugehen einfach mal ignoriere. Auf den ganzen 11 Kilometern kam mir oberhalb des Speichers gar kein Auto entgegen und unterhalb immerhin zwei Fahrzeuge des regionalen Energieversorgers. Bergab ist gar niemand gefahren.

Nach dem zweiten Tunnel lande ich quasi in einer anderen Welt: Kein Regen mehr und später sogar Sonne !
Insgesamt 2,25 h nach Abmarsch von der Mittelstation bin ich Punkt 12:00 an der Talstation.


Anorak und Regenhose sind zumindest äußerlich wieder trocken, aber insgesamt habe ich noch viel aufgesammelte Nässe an Bord. Also erstmal in der Toilette trockene Sachen anziehen und den Rest in der Sonne ein wenig trocknen.


Kaum schaut die Sonne raus, kommen etliche Autos mit Touristen angefahren, die dann realisieren müssen, daß heute gar kein Betrieb der Bahn sein wird, sondern nur die Gelegenheit zum Schienen Schmieren genutzt wird.

Ich spaziere nun in kurzem Hemd und kurzer Hose (allerdings vom Rucksack gleich wieder am Hintern durchnäßt) weiter die Straße bergab bis knapp unter 1.100 Meter in Innerfragant.
Der Bodenkontrolle hatte ich schon den neuen Plan durchgegeben: Möglichst zumindest wieder über den Hüttenzustieg bis auf gut 1.800 Meter zum Fraganter Schutzhaus aufzusteigen.

Ein von den Wassermassen des Vormittags stellenweise gezeichneter, aber sehr netter Weg (meist breit und ohne hohes Gras) führt durch den Wald (tagelang keinen gesehen, da ich ja zwischen 2.000 und 2.600 Metern Höhe unterwegs war). Immer wieder geht es unter der Materialseilbahn hindurch, die hier über 700 Höhenmeter wohl für die Winterversorgung des Hauses genutzt wird (im Sommer ist es auch über eine Schotterstraße für Berechtigte erreichbar).

Das Telefonat mit Fräulein A. aus E. sorgt dafür, daß ich just wenige Minuten vor der Hütte nochmal naß werde - nachdem ich bei den ersten Tropfen ordentlich Gas gegeben hatte, bin ich allerdings nicht völlig durchnäßt.

Auf der Hütte ist alles finster, aber nach der ersten Überraschung, daß bei dem Sauwetter doch noch ein Gast kommt (hin verirrt kann man ja Dank GPS nicht sagen), bekomme ich ein modernes 2er-Zimmer, kann meine Sachen in den Trockenbereich im Keller bringen und heiß duschen.

Die Gegend um die Hütte ist ein altes Bergbaugebiet, welches während des Ersten Weltkriegs nochmal deutlich an Bedeutung zwecks Kupfer und Schwefel gewann und unter Militärkontrolle erheblich modernisiert wurde.

Jetzt sieht die Welt schon wieder besser aus, auch wenn es vor der Tür zwischenzeitlich schon wieder gewittert.

Für das Wetter, habe ich wohl das Beste aus dem Tag gemacht. Mal sehen, was der Dienstag bringt, ob es Schnee gibt, ob es weiter regnet oder ob das schlechte Wetter evtl. früher kam und dafür auch früher wieder weg ist.

Zum Abendessen bekomme ich dann ganz etwas Besonderes, zusammengestellt aus einem außergewöhnlichen Gericht von der Karte und einer speziellen Offerte des jungen Wirts: Ein Stück Forellenfilet, ein Stück Saiblingfilet mit einem Brennesselknödel und zerlassener Thymianbutter.
Grandios !

Am Abend komme ich dann noch mit zwei Geologen ins Gespräch, die jetzt drei Tage mit Auto und Gerätschaften auf der Hütte sind, um die Gegend geologisch zu kartographieren. Die fachlichen Erklärungen sind sehr interessant, auch wenn ich nur einen Bruchteil behalten werde.
Was ich z.B. nicht wußte, daß sich das sog. Tauernfenster vom Katschberg im Osten bis zum Brenner im Westen erstreckt, wo eigentlich tiefer liegende Gesteinsschichten durch Abrutschen und Alpenfaltung nach oben kamen und zu Tage treten. Oder daß das Großglocknermassiv aus erosionsbeständigerem Urgestein besteht, weswegen er heute eben der höchste Österreicher ist.
Womit wir insgesamt wieder bei den Naturgewalten wären ...


Begegnungen:
1 Maus
2 Geologen
1 Stuttgarter Fernwanderin


9 Kommentare:

  1. Und wir waren doch am Sonnblick - dann 3 h Schneesturm zurück zur Duisburger. :(

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    1. Hallo Sebastian.

      Und wie ging es weiter ?
      Heute Morgen gab der Glockner ja ein traumhaftes Bild ab.

      Grüße aus Kals,
      K2.

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    2. War uns nach 2 Tagen Mistwetter mit 30 cm Neuschnee dann doch genug. Sind jetzt in den Lienzer Dolomiten Klettersteige machen.

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  2. Ihr seid's ja verruckt :-)

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  3. Hallo Kai,
    Hast einen Fan mehr !!
    Locker, spritzig, interessant, informativ - macht mir einen großen Spass deinen Blogeinträgen zu folgen !!!!!
    Wünsch dir noch viele schönere Tage, die letzten waren ja grad nicht so erbaulich !
    liebe Grüße vom Absteiger Peter (Hagener Hütte)

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    1. Hallo Peter.

      Schön, von Dir zu hören und danke für das positive Feedback.
      Ich hoffe, Du bist gut ins Tal gekommen und hattest dann noch eine gute Zeit !
      Ich hatte heute Morgen Traumansichten des Glockners zu bestaunen - davon später mehr.

      Schöne Grüße aus Kals,
      Kai.

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  4. Hallo Kai,
    bin wieder in Wien. Wir haben, wie du vielleicht schon weißt, beim Wallackhaus abgebrochen.
    Apropos, als wir beide vom Hannoverhaus losmarschiert sind, hat ein Blitz in die Seilbahn zum Mölltaler Gletscher eingeschlagen. Die Seilbahn ist dann eine Zeit lang still gestanden.
    Liebe Grüße und alles Gute beim Weiterwandern, Gert

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    1. Hallo Gert.

      Schön von Dir zu hören. Das mit dem Blitz hatte ich noch nicht gehört, daß Sebastian & Co auch nach Deinem Anruf den Sonnblick noch nicht abgeschrieben hatten, hatte mir der Streckenfunk schon gezwitschert ;-)

      Die Stuttgarterin, die abends gegen 19:00 völlig durchnäßt auf Fraganter Schutzhaus ankam, war ja vormittags noch in Neubau und ist dann den "Wasserfallweg" (den ich deshalb ja nicht gegangen war) abgestiegen und dann im Regen wie ich aufgestiegen.

      Schöne Grüße aus Neukirchen am Großvenediger,
      K2.

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