Dienstag, 22. August 2017

Tag 64: Italienische Verhältnisse oder Kölsche Leit=dkultur ?

Die Verhandlungen mit dem Wirt am Vortag haben zumindest 15 Minuten früheres Frühstück (wie im Winter: 7:45 Uhr) ermöglicht, schließlich steht mir heute eine längere Tagesetappe bevor, mit einem Zuschnitt, wie ich ihn auf dieser Tour (kann mich gerade aber auch generell an keine ähnliche Tour erinnern) auch noch nicht hatte und das nach all den Wochen, die ich nun bereits längs durch Österreich unterwegs bin:

Von 876 Metern Seehöhe in Ried im Inntal geht es in einem Zug aufwärts zum Furglerjoch auf 2.748 Metern über dem Meer. Fast 2.000 Aufstiegsmeter - oder 6 Stunden Gehzeit - am Stück.
Nachdem es die ersten zwei Kilometer bis Frauns noch gen Südwesten im Tal zum Aufwärmen nur leicht bergauf und bergab geht, folgt dann ein wunderschöner (aber schweißtreibender) Zick-Zack-Pfad durch den Wald bis zu den Ausläufern des Serfauser Feldes.

Das war es vorerst mit Schatten. Nun führt eine asphaltierte Straße von Gehöft zu Gehöft (oder knapp an welchen vorbei) bergauf bis ins Dorf Serfaus selbst.
Dort bin ich vom Trubel erstmal erschlagen, aber an sich finde ich es sehr positiv, daß man hier augenscheinlich neben dem bekannten Winter-Betrieb (Skigebiet Serfaus - Fiss - Ladis auf Südostbalkon über dem Inntal) auch einen ordentlichen Sommer-Betrieb hinbekommen hat: Ich sehe mindestens 6 laufende Gondelbahnen mit 8 aktiven Sektionen.
Anderswo läuft maximal 1 Bahn im Sommer oder die Orte sind (so gut wie) ganz tot.

Nachdem ich die Dorfstraße gemeistert und über eine spektakuläre Hängebrücke gen St. Zeno verlassen habe, wird es gleich deutlich ruhiger. Über eine Forststraße geht es nun weiter bergauf und durch den Wald sogar oft schattig.

Erst als ich aus dem Wald wieder heraus komme, kurz vor dem Kölner Haus auf 1.965 Metern, sind die Massen, die hier bei bestem Wetter unterwegs sind, wieder nicht mehr zu übersehen.


Ich kehre auf Tages-Suppe (Leberspätzle), zwei Getränke und Apfelstrudel mit Vanillesoße ein und bin froh, daß das Wetter gut genug ist, um weiter zu gehen, denn hier würde ich wirklich nur im größten Notfall bleiben: Selbst nach mehrmaliger Prüfung auf Landkarte und GPS bleibt das Gebiet hier DEUTLICH in Nordtirol. Die Gläser sprechen aber eine andere Sprache:


Und die Preise ebenfalls. 3,70 EUR für 0,4 (null Komma VIER) Johannisbeersaft mit LEITUNGSwasser sind schon ein stolzer Preis auf nicht mal 2.000 Metern Höhe mit der Straße vor der Tür und der Seilbahnstation hinter der Hausrückwand.

Sofort muß ich an die Franken/Bayern denken, die sich über die unter-großen Kölsch-Gläser echauffieren und bin froh, daß die von den C-Parteien in Deutschland immer mal diskutierte Leitkultur zu Zeiten der Bonner-Republik (die ja eine verkappte Kölner-Republik war) nicht zu einer Leidkultur in Sachen Getränkeglasgrößen wurde.

Über den sog. Murmeltiersteig geht es weiter in einem großen Bogen bis zum Furglersee. Auf diesem Abschnitt habe ich mit einer anderen Art von Störung zu kämpfen: Zwar kein Gegenwind, aber wahnsinnig viel Gegenverkehr. Die Massen (bis hin zu geführter Gruppe mit ca. 20 Personen) wurden mit der Lazidbahn bis auf 2.346 Meter transportiert und sind dann von dort dem einen oder anderen Themenweg gemütlich abwärts gefolgt. Im ganzen Aufstieg kann ich heute weder vor noch hinter mir auch nur eine einzige Person entdecken, die einen meiner Wege ebenfalls aufwärts geht.

Liegt mir manchmal ja aber auch in der Art gegen den Strom zu schwimmen ;-)

Kurz vor dem Furglerjoch kommen mir noch eine Mutter mit Sohn und etwas später Vater mit der noch kleineren Tochter entgegen. Die Familie hat heute vom Lazidkopf aus den Furgler (3.004 Meter) bestiegen. Respekt an die kleinen Bergsteiger für den ersten gemeisterten 3.000er. Ich hoffe, sie schaffen den Abstieg bis zum Kölner Haus noch rechtzeitig, bevor die letzte Bahn ins Tal fährt.
Sie haben das Wetter auch optimal genutzt, denn morgen (bzw. Eigentlich schon am Abend) soll es deutlich schlechter werden. Es sind sogar Unwetter angekündigt.

Ein weiterer Grund, heute noch über das Furglerjoch ins Paznauntal zu steigen, wo hier in der Samnaungruppe nun die 700er-Nummern regieren.


Nach 6 Stunden Gehzeit erreiche ich den, nun am Spätnachmittag, sehr einsamen Übergang und kann die Ausblicke noch in aller Ruhe genießen. Im Gegensatz zum kürzeren Anstieg am Nachmittag zur Erlanger Hütte vor einigen Tagen, hat mich der heute bereits am Morgen beginnende Aufstieg gar nicht so sehr belastet.


Gen Norden geht es nach einem ersten Abstieg über loses Geröll am Hang entlang auf den Medrig zu. Vor dem Medrigjoch ist der Steig noch eine längere Passage mit Sicherungen versehen, aber wunderbar zu gehen. Vom Übergang kann ich dann unten im vor ein paar Jahren erst erweiterten Skigebiet die Ascherhütte erkennen, was mein heutiges Tagesziel ist.


Um 17:00 Uhr erreiche ich die Hütte und letztlich hat das angekündigte sehr schlechte Wetter wohl dafür gesorgt, daß selbst die für heute Freitag angemeldeten Gäste ausbleiben und ich am Ende der einzige Gast bin. Die Familie unterhalb des Furglerjochs hatte mir noch erzählt, daß auf dem Gipfel auch Besteiger waren, die morgens auf der Ascherhütte gestartet waren.

Die Dusche auf der Hütte ist kurios: Erstens können sie einem nicht richtig erklären, wie man überhaupt das Wasser anbekommt (Trick: der Knopf sieht nach Drücken oder Ziehen aus, ist aber zum nach oben Kippen - auch ohne Hebel) und zweitens bleibt die Zeit stehen, wenn man kein Wasser laufen läßt (sehr gut, wenn man am Anfang die Armatur noch nicht verstanden hat und während des Einseifens), allerdings blieb bei mir die Zeit generell bei 2:44 min stehen. So lange habe ich schon lange nicht mehr auf einer Berghütte geduscht.
Ich habe das der Chefin natürlich gesagt, sie hat aber nur mit den Schultern gezuckt und gemeint, das funktioniere normal schon ... OK.

Die Ascherhütte wirkt insgesamt sehr neu.
In Wirklichkeit wurde sie zwar bereits 1896 von einer Sudetendeutschen Sektion aus Asch erbaut, deren Mitglieder nach dem Zweiten Weltkrieg über die ganze Republik verstreut werden, bereits in Selb aber die Sektion Anfang der 50er Jahre neu gründen, die später nach München umzieht und letztlich 2003 mit der Sektion Pfaffenhofen an der Ilm fusioniert (DAV Pfaffenhofen-Asch).
Im Jahr 2013 wird die Sektion von den Plänen der Bergbahnen aus See überrascht, die das nahe gelegene Skigebiet in den Kübelgrund erweitern, so daß die Hütte künftig im Skigebiet liegen wird. Im Gegensatz beispielsweise zu Hintertux, wo die Liftgesellschaft die ÖTK Sektion der vorher bereits im Skigebiet liegende Spannaglhütte aus dem Geschäft drängt und die Hütte platt macht, suchte hier die Liftgesellschaft augenscheinlich die Zusammenarbeit mit der Alpenvereinssektion und sorgt für Wasser-, Strom- und Abwasser-Anschluß.
Schön, daß es auch so geht ! Seit kurz vor Weihnachten 2014 hat die Ascherhütte jetzt also auch im Winter nach großen Umbaumaßnahmen zeitweise geöffnet.



Begegnungen:
1 kleines Reh im Wald
3 Wegarbeiter des Tourismusverbandes
1 Familie mit kleinem Jungen und noch kleinerem Mädel, die gerade von ihrem ersten 3.000er kommen


2.000er:
Furglerjoch, 2.748
Medrigjoch, 2.555

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen