Sonntag, 18. Juni 2017

Tag 01: Eine Frage des Blickwinkels

Heute soll es also endlich losgehen. Ab in den Urlaub !

Fräulein A. bringt mich nach dem Frühstück mit dem Auto nach Hainburg an der Donau dem Start- oder auch Ziel-Punkt des Zentralalpenwegs - auch wenn hier im niederösterreichischen Flachland von Bergen natürlich nicht viel zu sehen ist. Der 02er - wie er genannt wird - ist einer der 10 österreichischen Weitwanderwege (WWW), die nächstes Jahr ihr 40-jähriges Jubiläum feiern.

Am Sammeln von Stempeln habe ich kein Interesse und meine Route wird teilweise auch etwas variieren, aber sich an einem durchmarkierten Fernwanderweg orientieren zu können, hat immer etwas für sich. Aufmerksam wurde ich auf die WWWs als ich vor drei Jahren ein kurzes Stück eines 06ers (sternförmige Mariazeller Pilgerwege) und ein längeres Stück dem 03er (Südalpenweg) gefolgt war.

In Hainburg am Hauptplatz mitsamt seinem 02er-Startstein geht es also los.


Die Bodenkontrolle begleitet mich noch ein paar Meter, die für sie bereits bekanntes Terrain sind, war sie die Tage doch mit dem Rad auf dem Weg nach Bratislava hier vorbei gekommen.
Dann heißt es Abschied nehmen: Ihre Ferien gehen langsam zu Ende und mein Urlaub beginnt. Der Deal war ja, daß ich Ihr Auto nach Wien bringe, damit sie damit samt Fahrrad wieder nach Hause kommt. Was sie damals noch nicht im Kopf hatte, daß ich dann einen großen Rucksack dem Auto entnehmen und sie ohne mich zurückfahren sollte. Wie naiv, sie zu diesem Zeitpunkt war ;-)


Mal sehen, wie weit ich komme ...

Am Anfang geht es ein Stück direkt an der Donau entlang, auf der geschäftiges Treiben an Fracht- und Personenschiffen herrscht. Bereits nach einer Stunde ist Bad Deutsch-Altenburg erreicht, wo ich im Kurpark einen sportlichen älteren Herrn bei Dehnübungen an einem Baum mit 02er-Markierung (sollte ich das auch mal machen ?) knipse. Wir kommen ins Gespräch und haben ein Stück gemeinsamen Weges. Also er zum Haupthaus zum Mittagessen und ich dann daran vorbei und noch ein Stück weiter, denn heute stehen gleich mal 25 km an. Wie naiv, ich zu diesem Zeitpunkt war :-(
Der Herr erzählt von - aus seiner heutigen Sicht (auch die Zeit kann Blickwinkel verändern) - sinnlosen Leistungsmärschen z.B. in vier Tagen 125 km mit 36 kg Gepäck und 3,x kg Waffe als er in jüngeren Jahren beim Militär war - mir genügen bereits die ungewohnten 17,5 kg (inkl. 2 Liter Wasser) auf dem Buckel. Zum Abschluß des netten Gesprächs gibt er mir noch ein paar Atemtipps und erinnert mich an die 3er-Regel (3 min ohne Luft, 3 Tage ohne Wasser, 30 Tage ohne Essen), im Kopf leicht auf die aktuellen Verhältnisse angepaßt: 3 s ohne Luft, 30 min ohne Wasser, 3 Stunden ohne Essen - klingt nach einem Plan.

Durch Felder führt der Weg weiter bis nach Petronell-Carnuntum, auf einer Bank (die sind hier sehr selten !) am Bahnhof im Schatten gibt es nach 10 km die erste Rast. 40% des Tagespensums bereits geschafft ? - Wie naiv ich zu diesem Zeitpunkt noch war. Im Gegensatz zu den Glutofentemperaturen am Vortag in Wien ist es heute bewölkt und es geht immer ein Lüftchen. Von der Linde, unter der ich saß, werde ich wohl noch am Ende des Weges Reste in meinem Rucksack finden. Ab die dann gut getrocknet zu Lindenblütentee taugen ? ;-)

Kurz nach dem Ort ist das Heidentor der Römer dann der Wendepunkt der heutigen Tour:


Nun geht es nicht mehr gen Westen, sondern nach Süden.
Etwas später übersehe ich wohl eine Abzweigung und erst nach 800 m stelle ich auf dem GPS fest, daß ich eigentlich falsch bin. Da ich nicht zurückgehen möchte, gehe ich erst einen Weg parallel und später die 800 m gen Westen zurück auf den eigentlichen Weg.

Nach der Querung einer Straße führt der Weg geradewegs auf einem Damm ins Dickicht. Nun, vom 03er bin ich ja bereits einiges gewohnt und da Dornenranken und Brennesseln hier deutlich in der Unterzahl sind, klappt es auch recht gut. Ein Reh, das ca. 2m von mir unerkannt im grünen Stand, ist letztlich nur durch mein Einschlagen mit den Wanderstöcken auf ein Brennesselgebüsch aufgeschreckt worden und davon gesprungen. Am Ende des Wäldchens bin ich der Meinung, daß es ein paar Meter östlich, direkt am Fluß entlang vermutlich einen problemlos zu gehenden Weg gegeben hätte.


Nach einer kurzen Pause im Schatten mit Bisamrattenbeobachtungen muß ich erkennen, daß der 02er hier wegen einer Großbaustelle weiträumig, also richtig weiträumig umgeleitet wird. Der Weg am Fluß entlang ist schattig und kühl. Dann enden auch schon die Vorteile. Er windet sich wie der Fluß, der Untergrund ist wohl Überschwemmungsland, sandig/feucht und man sackt immer wieder ein, teilweise ist mein halber Schuh weg, dadurch fällt das Gehen schwer und die Myriaden an Stechviechern hier in diesem Sumpfland setzt dem ganzen noch die Krone auf.
Nichtsdestotrotz brauche ich nach einigen Kilometern mal wieder eine Pause, aber da ist nichts. Kein Stein, kein Baumstamm, nichts. Letztlich setze ich mich notgedrungen auf den Boden und bin mehr mit derm Erschlagen von Schnaken als mit mir selbst beschäftigt. Irgendwann ist aber auch dieser Abschnitt am Fluß zu Ende und nun heißt es durch die mittlerweile pralle Sonne nach Südosten zu gehen, um nach der Autobahn wieder auf die Originalroute zu stoßen. Die Umleitung zog sich über viele Kilometer und im Ergebnis standen derer VIER an ZUSATZ auf dem Zähler.
Zur Strafe ? Nein, zum Training ! - würde manch einer wohl sagen. Ja, ja, eine Frage des Standpunktes und der Sichtweise.

Die Asphalt und Schotterwege taten ihr übriges und langsam ging mit auch das Wasser aus.

Am Ortsrand von Parndorf hatte ich noch nettes Gespräch mit einem Familienvater (24h-Dauerlauf wäre ja nichts für mich - er und sein Kumpel haben nachts nach 18 Stunden und mehr als 80 Kilometern aufgegeben) und lasse mich noch wegen dem richtigen Bahnhof (Parndorf Ort Bhf oder Parndorf Bhf) beraten: Da wegen des nahen Nova-Rock-Festivals nämlich in weitem Umkreis sämtliche Betten (OK, in dem häßlichen Tower - sieht aus wie die hier allgegenwährten Silos - hätte es noch Zimmer für 400 EUR an der Autobahn geben ... !?) belegt sind, fahre ich insgesamt mehr als 25 km mit der Bahn nach Nordwesten (Gramatneusiedl), wo ich nochmal 1 km zur schönen Unterkunft vor mir habe.

Völlig erschöpft komme ich dort nach 31,5 km zu Fuß gegen 19:45 an. Was ein Tag.


Nun bin also (wieder) unterwegs, (wieder) gen Westen.
Manch einer mag jetzt denken, ich hätte mich auf die Jagd nach Martina (Martinas Blog) oder Ania (Anias Blog) gemacht, die bereits vor mir vom Osten Österreichs nach Westen gestartet sind, aber mal im Ernst: Das Weltraumaeffchen bezeichnen wir als Tier (ugs. auf gut bayerisch) und sie hat 56 Tage Vorsprung und Martina zwar nur 2 Tage - aber sie hat aus gewöhnlicherweise gut unterrichteten Kreisen eine deutlich kürzere Route nach Stein in Südtirol bekommen, wie man hört.

Respekt an die beiden Damen !
Alleine von Graz nach Monaco zu gehen ...
Also ich käme ja jetzt nicht auf die Idee, nach Monaco gehen zu wollen ;-)

Apropos, man könnte das auch anders sehen: Die Wissenden würden die Rechnung vielleicht anders aufmachen und mir 50 bzw. 104 Tage Vorsprung attestieren - aber das ist wieder eine andere Sache mit dem Blickwinkel und so ...


Begegnungen:
3 Hasen
1 kleine Schlange
1 dicke Bisamratte
1 Reh
Der sportliche ältere Herr in Bad Deutsch-Altenburg
Der nette Familienvater am Rande von Parndorf

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