Bereits als ich von der Schweinfurter Hütte nach Niederthai abgestiegen bin, kommen bei strahlendem Sonnenschein und der großen, wehenden Fahne an der Kirche des Ortes Erinnerungen an einen Sonntag im August 2009 hoch: Es war damals zwar noch kurz vor Maria Himmelfahrt, aber wegen eines damaligen Papstbesuchs in der Gegend war Niedervintl im Pustertal auch komplett gelb-weiß beflaggt.
Der Etappenzuschnitt war damals auch ähnlich: Zuerst befestigte Wege/Straßen (von Pfunders) ins Tal (damals Pustertal, heute Ötztal) gehen, den geschmückten Talort (Niedervintl vs. Umhausen) durchschreiten und dann wieder ordentlich bergauf (zur Lüsener Alm auf dem Weg nach Venedig, heute hoch zur Erlanger Hütte).
Ein paar kleine Unterschiede hat es aber doch: Ich bin nicht in Begleitung (schöne Grüße an Tine an dieser Stelle !), es gibt im Tal keinen überfrauhohen Mais und der Anstieg am Nachmittag hat es viel mehr in sich.
Aber um ins Tal zu kommen, gilt es nach Niederthai zuerst noch die Geländestufe zu überwinden, die sich der höchste Tiroler Wasserfall (Stuibenfall mit 159 Metern gesamter Fallhöhe) waghalsig direkt hinab stürzt.
Nach einem tödlichen Felssturz im Jahr 2014 wurde nach zweijähriger Bauzeit erst im Sommer letzten Jahres ein neuer Weg mit aufwändigen Stahlkonstruktionen eröffnet.
Über insgesamt 728 (mir zusetzenden) Stufen führt der Weg hinab und am Ende auch noch über eine 80 Meter lange Schräghängebrücke.
Ich bin richtig froh, anschließend wieder festen Boden ohne Metallgitter zum (unfreiwilligen) Durchschauen unter den Füßen zu haben !
Seit ca. 10 Jahren führt auch ein Klettersteig links neben dem Wasserfall nach oben. Der Einstieg erfolgt gleich per Seilbrücke über den Fluß. Da staut es sich heute gleich richtig: Ca. 20 Leute warten in voller Klettersteigmontur darauf, endlich losgehen zu können.
Ob es allerdings sinnvoll ist, wenn ein Vater mit seinem kleinen Sohn den Steig geht, wenn der Sohn noch nicht mal auf den ersten Metern es schafft, die Karabiner selbstständig aus dem Stahlseil auszuklinken (und da kommt er noch gut hin und ist nicht erschöpft) ? - Nun, ich persönlich habe da so meine Zweifel ...
Ich marschiere weiter bergab und bahne mir meinen Weg durch die bergauf strömenden Touristenmassen. Das Wasserfallfest am Weg hat noch nicht begonnen und an der entsprechenden Lokalität wähle ich den ruhigeren Weg gen Umhausen.
Kurz nach 11 Uhr durchschreite ich den Ort, wo wohl gerade die Kirche aus ist, denn in Trachten gekleidete Einheimische packen Musikinstrumente weg, streben nach Hause bzw. bevölkern den Biergarten des Gasthofs am Weg.
Mmh, das sind mir deutlich zu viele Leute für eine Mittagspause, aber vielleicht gibt es im südwestlichen Ortsteil Neudorf ja auch noch eine Wirtschaft, wo abseits des Ortszentrum etwas weniger los ist ...
Leider habe ich mich da verspekuliert: Neudorf ist zwar Menschen- aber augenscheinlich auch Gasthof-leer. Kurz bevor der Weg über die Ötztaler Ache endgültig aus dem Ort hinausführt, pausiere ich an einer Kapelle und esse zur Stärkung zumindest ein Stück eines Energieriegels, denn nun kommt am Nachmittag das dicke Ende der heutigen Tagesetappe: Von unter 1.000 Metern gilt es zur Erlanger Hütte auf 2.541 Metern aufzusteigen.
Im Aufstieg kann ich auch die Rechnung mit den Stockwerken von gestern noch einmal validieren - nicht, daß die Mathematiker unten rechts von Afrika noch protestieren: Augenscheinlich sollte doch ein Fehler in der Anzahl der überwundenen Stockwerke stecken, denn müßte die Anzahl am Ende nicht immer geradzahlig sein, wenn man ein Gebäude auf Straßenlevel betritt und auf dem gleichen Niveau wieder verläßt ?
Nun, vermeintlich sieht das nach einem Widerspruch aus, aber des Rätsels Lösung ist so einfach wie historisch gewachsen: Eine Treppe von der Straße zur Veranda hochgehen, im Haus eine Etage hinab in den Keller und von dort durch den Seitenausgang eine Treppe hoch zur Straße. So einfach kann die Sache sein, auch ganz ohne die unmöglichen geometrischen Figuren des Herrn M.C. Escher (Wikipedia) ;-)
Der Fahrweg durch den Wald ist in der Hitze meist beschattet, was mir sehr entgegen kommt. Trotzdem läuft mir das Wasser nur so runter, da die dauerhafte Steigung schon anstrengend ist.
Zwischendurch kommt ein älteres E-Bike-Ehepaar bergauf locker-flockig vorbei geflogen. Nichts gegen E-Biker, aber wenn sie schon ohne sichtbare Anstrengung aufwärts gondeln, könnten sie ja wenigsten auf einen Gruß höflicherweise antworten und nicht stoffelig mundfaul vorbei gondeln.
Mit einem deutschen Pärchen komme ich noch kurz ins Gespräch, die darauf hoffen, daß wenigstens eine der Almen im Fundustal, dem Nachbartal östlich des Leierstals (wo ich hin muß) geöffnet hat, da ja Feiertag ist und damit wohl teilweise Ruhetage durcheinander kommen, wie sie am Vortag mitbekommen haben.
Komisch, können wohl keine klassischen Almen mit Milchvieh sein, denn würde mich wundern, wenn sich die Kühe beim Milchgeben an Feiertagsplänen orientieren würden ;-)
Nachdem ich die beiden hinter mir gelassen habe, teilt sich nach einer Weile der Fahrweg: Geradeaus geht es zu den Almen, nach rechts ist die Erlanger Hütte ausgeschildert. Prompt geht es erstmal bergab, aber das dicke Ende kommt noch.
In einer Kehre der Fahrstraße ist die Erlanger Hütte ausschließlich geradeaus auf einen Pfad ausgeschildert, an der Straße hängt noch ein Gefahrenschild zwecks Unpassierbarkeit. Mmmh, die drei älteren Damen kamen gerade wohl aus dem Fußweg, ein einheimischer Autofahrer fährt aber weiter den Fahrweg, aber da war vor ein paar Jahren ja mal etwas mit einem großen Hangrutsch.
Ich nehme mal lieber den Fußweg. Dieser beschert mir ein auf und ab, Stufen im Wald, Abstieg bis auf das Niveau des Leiersbachs und nach der Querung desselbigen geht es richtig ordentlich auf der anderen Seite den Hang entlang taleinwärts in Serpentinen bergauf.
Auf der anderen Talseite kann ich zwischenzeitlich ein paar Wanderer gemütlich den Fahrweg durch die Abrutschung hindurch gehen sehen. *arg*
Kurz nach der Vorderen Leierstalalm kommen die Wege wieder zusammen und an der Materialseilbahn (die der Wirt seit der Hangabrutschung mangels Erreichbarkeit nicht mehr nutzen kann) zweigt dann der Fußweg zur Hütte rechts ab. Immer noch 700 Höhenmeter sind zur Hütte, die oben markant auf einem Felsvorsprung wie eine Burg aus dem Mittelalter thront, noch aufzusteigen.
Puh, ich bin schon ganz schön erschöpft. Ich kämpfe mich schließlich Schritt für Schritt den Aufstieg nach oben und darf mich zwischendrin noch mit einem ungläubigen Thomas aus der Gegend befassen: Er kommt mit seiner Frau vom Wildgratgipfel und kann nicht glauben, daß ich von der Schweinfurter Hütte zu Fuß herüber gekommen bin. Daß ich seit Hainburg an der Donau zu Fuß unterwegs bin (bis auf die Mitnahmenötigung nach Bruck an der Mur), sprengt seine Dimensionen dann endgültig. Wir verabreden folgenden Deal: Ich trage mich am nächsten Tag ins Gipfelbuch am Wildgrat ein und er wird das in drei Wochen kontrollieren. So gehen wir auseinander und mal sehen, was da noch draus wird ...
Um 17:00 Uhr erreiche ich schließlich die Hütte. Geschafft.
Die Wirtsleute sind super-nett, ein paar Wiener (*) sind auch bereits da, ein Pärchen aus Erlangen (gebürtige Bamberger) und noch ein paar Leute ergeben eine überschaubare Zahl.
Die Hütte wird mittlerweile mit dem Hubschrauber versorgt und hier sind zwei Euro pro Kilogramm an Extra-Transportkosten zu rechnen. Bei meiner Nudelportion haben sie es besonders gut gemeint: Sie ist fränkisch zu nennen (Wie war´s ? - Viel war´s) und lecker war es darüber hinaus auch noch.
Die beiden Wiener kamen über den Wildgrat, Ihre Kletter-technische Beurteilung schwankt aber zwischen 0+ und II - nicht wirklich eine Hilfe für den nächsten Tag, wo es durchaus feucht (mit Schauern) werden soll.
Gegen 20:30 taucht noch ein Trupp junger Kerle auf, die sich auch das Lager mit mir und den beiden Erlangern teilen. Wo auch immer die jetzt noch herkommen. Die Wirtin ist mal nicht so und kocht nochmal groß auf.
Das Pärchen aus Erlangen und ich verziehen uns bald ins Lager, die Jungs kommen irgendwann später und was ich leider erst am nächsten Abend feststelle: Irgendeiner der Experten hat den Stecker meines USB-Ladekabels fürs Handy stark verbogen und fast abgebrochen - deswegen hing das Kabel auch lose in der Gegend und mein Handy lag separat. *arg*
(*) Ich glaube mittlerweile mit den Wienern ist es wie mit unseren Freunden aus den neuen Bundesländern: EGAL, wo Du hingehst, sie sind/waren schon da. Da kannst Du wahrscheinlich zum Mond fliegen und sie waren schon da. Ok, ok, dafür braucht man nur viel Geld. Nehmen wir mal etwas Absurderes: Du könntest auf die Idee kommen, einfach mal sagen wir von Graz nach Monaco über die Alpen zu spazieren (das ist schon langwierig und anstrengend, da reicht Geld alleine nicht) und ich wette um 100 EUR, Du wirst im Via-Alpina-Buch Indizien finden, die Wiener (es bleibt nie bei einem !) waren bestimmt schon da ;-)
Begegnungen:
1 schwarzes Eichhörnchen
2 große Lamas, 1 mittleres + 2 kleine
2 Hängebauchschweine - eines davon mit einem Huhn auf dem Rücken stolzierend
2 Wiener
2 Erlanger (gebürtige Bamberger)
sehr unterhaltsam!
AntwortenLöschengenaugenommen war es nur ein Wiener 😏
AntwortenLöschenGanz genau genommen mit einem Wiener und einer Wienerin sind die Steirer schon sehr abgehängt. Aber wie es bei den Wienern ist, die haben ihre Wurzeln eh woanders. Egal ob Kärnten oder Polen oder sonstwo.
LöschenNun, wir Piefkes verstehen ja eher Würstchen darunter, was sächlich wäre und somit quasi objektiv gar keinen Ansatz eines Problems darstellte.
LöschenUnd nun keine Beschwerden: Berliner sind schmierig, triefen vor fett und machen gefüllt Sauerei.
Bamberger sind auch fett und noch dazu krumme Sachen.
K2.
Bei uns heißen deine Berliner "Faschingkrapfen" und sind nur im Jänner und Februar anzutreffen und unter Bamberger kann ich mir gar nichts vorstellen.
LöschenHallo Volker.
LöschenSchaust Du hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Bamberger_(Gebäck)
Schöne Grüße aus Mittelfranken,
K2.
Aber die Wurzeln der Wiener haben in jedem Fall 4 Beine :-b
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