Samstag, 29. Juli 2017

Tag 43: Schwarzes Loch ?

Gegen 8:15 Uhr verlasse ich heute wieder bei morgendlich bestem Wetter den Ortsteil Großdorf von Kals am Großglockner in westlicher Richtung über eine Schotterstraße ins Skigebiet.


Da ich die Gebirgsgruppen momentan häufiger wechsle als die Unterhosen (aber immerhin sind die nun alle wieder frisch gewaschen), muß ich mich nun in der Granatspitzgruppe an die 502B als Wegmarkierung gewöhnen.

Als an einer Futterstelle aus dem Fahrweg ein Pfad über eine Wiese wird, ahne ich schon, daß nun der angekündigte Steilanstieg kommt und wirklich muß ich nicht lange warten, bis der Pfad in kurzen Serpentinen deutlich an Steigung zulegt. Schließlich sind bis zum Kals-Matreier-Törl zum Aufwärmen knapp 900 Höhenmeter aufzusteigen.

Bei einer kurzen Trinkpause im lichter werdenden Wald, höre ich es plötzlich stark rascheln. Irgendwelche größeren Tiere streifen schräg unterhalb von mir am Hang durch das Unterholz.
Erst kann ich nichts sehen, dann bimmelt ein Glöckchen, d.h. Kuh oder Schaf, doch plötzlich sehe ich ein Reh davon springen.
Kurz danach klärt sich die Situation: Der schwarze Widder mit Glocke und Gefolge hat den Radau veranstaltet und das Reh aufgescheucht.

Etwas später lichtet sich der Wald und die Hütte an der Scharte ist in Sichtweite, auch wenn ein Schweiß-treibender Aufstieg noch bis dorthin zu Apfelstrudel und Johannis-Leitungswasser zu absolvieren ist.
Ich nutze die Gelegenheit für eine verfrühte Pause und um 11:00 Uhr geht es weiter.

Der Glockner hüllt sich währenddessen heute in Wolken:


Der Weg führt nun nach Norden an der Kalser Höhe vorbei und etwas später zweigt mein Weg links ab, direkt hinein in die Bergflanke.

Hui, hier sollte man nicht stolpern.
Vorsichtig gehe ich den schmalen Pfad die Serpentinen im Grashang bergab, denn direkt voraus ist eine Felsrippe, die nur tiefer zu passieren ist. Danach geht es also wieder aufwärts, was mir auch sympatischer ist.

Bereits kurz nach dem Kals-Matreier-Törl-Haus war mir ein Wanderer in schwarz kurz vor mir aufgefallen, der anfangs fast greifbar vor mir ging, aber etwas schneller unterwegs ist und somit sich immer weiter entfernt. Aber immer wieder kann ich ihn vor mir entdecken und er nimmt immer die gleichen Abzweigungen.

Ein letztes Mal sehe ich ihn, kurz bevor ich das Hohe Tor (eine Scharte mit Wegen ins Tal und gen Blauspitz) erreiche. Auch dort geht er in meine Zielrichtung weiter. Sonst habe ich seit dem ersten Abzweiger keine Menschenseele mehr zu Gesicht bekommen.

Ich folge also (ohne Angst) dem schwarzen Mann in den nächsten Grashang leicht bergauf, denn vom Hohen Tor auf 2.477 Metern sind es bis zum bisherigen Höhepunkt der Tour auf über 2.800 Metern ja noch ein paar Meter aufzusteigen.

Nach einer Biegung, wo ich den Weg mal wieder weit einsehen kann, ist vom schwarzen Mann aber plötzlich nichts mehr zu sehen. Komisch.
Eine (vermeintliche) Erklärung liefert wenig später ein Blick nach oben: Auf dem Grat turnt ein schwarzer Schatten gegen den hellen Hintergrund. OK, scheinbar ist der schwarze Mann beim letzten Abzweig auf den ungesicherten Grat zum Tschadinhörndl abgebogen. Und das beim aktuellen Wetter ...
Punkt 11:30, 12:30 und nun eben 13:30 hatte es nämlich zu nieseln begonnen.

Ich gehe also weiter und als ich mal wieder nach oben auf den Grat schaue, sind es plötzlich drei schwarze Silouetten, wenig später gar fünf.

Kurios. Entweder ist mein schwarzer Mann in einer Gruppe aufgegangen oder vom Erdboden verschluckt.

Ich gehe weiter und auch wenn ich nun deutlich über 2.500 Meter unterwegs bin, ist hier der Weg deutlich angenehmer (da breiter und immer leicht bergauf) als vorher so schmal durch die Steilhänge.
Auch die bereits von weitem sichtbaren Serpentinen sind viel harmloser als sie vorab wirkten.
Als ich die erste Kehre gehe, sehe ich kurz hinter mir einen Mann. Nein, keinen schwarz gekleideten. Woher dieser Geselle wohl kommt ? Er kann eigentlich nur kurz nach mir von Osten am Hohen Tor angekommen sein, denn sonst hätte ich ihn ja längst beim Zurückblicken vorher mal sehen müssen.
Wahrscheinlich hat er mich gleich eingeholt, Abzweigungen kommen ja jetzt bis zur Scharte keine mehr.

Ich gehe meinen Stiefel weiter und wundere mich, daß er nicht weiter aufschließt. Naja, evtl. macht er eine kleine Pause.

Im Kessel unterhalb der Dürrenfeldscharte packe ich mal die Klamotten außen am Rucksack weg (nicht, daß mir im gesicherten Steig dann noch etwas abstürzt), lasse überflüssiges Wasser ab und ziehe mal die Regenhülle über den Rucksack.
Auch wenn ich jetzt wieder ein beträchtliches Stück des Weges zurück überblicken kann, der Mann bleibt verschwunden. Im stärker werdenden Nieselregen steige ich bis zur Scharte auf und auch ein letzter Blick zurück zeigt keine Menschenseele.


Irgendwie sind jetzt zwei Leute (einer vor und einer hinter mir) wie vom Erdboden verschluckt worden.
Vielleicht steht morgen in der Bild-Zeitung: Schwarze Löcher in der Granatspitzgruppe in Osttirol ?

Der gut gesicherte Steig geht nun schräg eine richtige Steilwand entlang. Die Sudetendeutsche Hütte ist bereits in Sicht. Also vorsichtig die Schräge entlang und dann noch über Bäche und Felsen ein paar Minuten auf und ab und auf die Hütte zu.
Jetzt fängt es zwar stärker zu regnen an, aber die Tropfen sind nicht sehr groß und Regensachen anziehen lohnt wirklich nicht mehr, also lieber für die letzten 10 Minuten nochmal einen Gang zulegen.

Als das Wetter später wieder besser wird, frage ich mich beim Blick auf die Wand der Dürrenfeldscharte, wie ich dort runter gekommen bin:


An der bisher höchsten Hütte auf 2.650 Metern erhalte ich von der neuen Oberpfälzer Wirtin die Hochzeitssuite für mich.


Nett, aber man muß schon genau überlegen, wie man reinkommt, sich drin noch bewegen kann und wie man wieder rauskommt ;-)


Der Ausblick ist jedenfalls nicht schlecht:


Im Gastraum beweist der 13-jährige Gabriel aus Tulln seine umfassende Bergkenntnis und offenbart seinen Plan, jetzt mit dem Großonkel (Mitte 70, aus Going) noch einige 3.000er zu sammeln, damit er nächstes Jahr mit 14 zum AV-Hochtourenkurs auf der Rudolfshütte zugelassen wird.
Respekt ! - Der Mutter ist die eine oder andere Tour zu anspruchsvoll, aber Ihr Onkel hat die Erfahrung von vielen Dutzend 4.000ern und paßt auf den Jungen auf. Natürlich auch auf seinen eigenen Hund Jimmy, der heute in einem Kamin schon mal unter den Arm oder in den Rucksack gepackt werden mußte - und Jimmy ist wahrlich KEIN Schoßhündchen.

Hunde, Tulln und dann noch das:


Preisfrage: An wen muß der geneigte Alpenüberquerungsblogleser unmittelbar denken ?

Im Unterschied zum Doppelherz-Quiz ist das aber D1 und gibt somit kein 3-Gänge-Menü in mittelfränkischen Gefilden ;-)


Begegnungen:
1 Reh
4 Murmeltiere
Gabriel mit Mutter, Großonkel und Jimmy, dessen Hund
2 Englisch sprechende Franzosen auf Glocknerrunde und Österreich-Urlaub


2.000er:
Kals-Matreier-Törl, 2.206
Hohes Tor, 2.477
Dürrenfeldscharte, 2.823

1 Kommentar:

  1. Hi Kai,

    das hört sich nach einer interessanten Tour an, mit komischen Begegnung.
    Ich denke, ich weiß die Antwort auf die Frage, aber ich warte noch, dass eventuell, falls keine Antworten eintreffen, der mögliche Gewinn steigt. ;-)

    Gute Nacht

    Frank

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