Samstag, 12. August 2017

Tag 55: Unter dem Brenner

Die fünf Südtiroler haben mir nicht zu viel versprochen: Der Hüttenabstieg bis zur Talstation der neuen Materialseilbahn mit vielen Kehren und sanftem Gefälle ist echt nett zu gehen.

Die alte Talstation an gleicher Stelle und den VW-Bus der Wirtsleute hatte ja das schlimme Unwetter 2012 mit Gerölllawinen im ausufernden Bachbereich weggerissen, als im Pfitschertal auch zwei Menschen ums Leben kamen und der Normalabstieg vom Furtschaglhaus nur noch mit Fährmann zum Übersetzen des Schlegeisspeicherzuflusses möglich war.


Die neue Talstation ist höher gelegt und im Untergeschoß sind in Betonkorsett nun zwei Garagen für Autos/Hänger der Wirtsleute untergebracht, damit sich solch ein Vorfall mit Totalschaden nicht wiederholt.
Die Landshuter haben auch nicht gekleckert, sondern geklotzt: Die Bahn hat eine geschlossene Kabine (wie beispielsweise auch seit Jahren an der Greizer Hütte) und ist somit auch für den Personen-Transport zugelassen. Wirtsleute, Angestellte, Arbeiter/Servicetechniker und vor allen Dingen bei Bedarf auch Rettungsmannschaften können so Zeit-sparend vom Ende des Fahrwegs bis zur Hütte befördert werden.


Ich muß jetzt etliche Kilometer Innervals talauswärts gen Westen gehen. Ab dem Gasthof Touristenrast (offizieller Parkplatz der Geraer Hütte nahebei) ist die öffentliche Straße dann asphaltiert. Westlich von Vals zweigt dann ein ausgeschilderter Fußweg gen St. Jodok von der Straße ab, den ich gerne nutze, auch wenn der offizielle 02er weiter der Straße folgt.


Kurz vor 12 Uhr bin ich im Zentrum des Ortes. Schnell etwas Geld vom Automaten gezogen und um 12:01 Uhr in den Spar daneben geflitzt. Eigentlich machen sie Punkt 12:00 zu, aber da die Angestellten noch am Plaudern sind, die Tür noch nicht zu war und ich meinen bedürftigen Hundeblick aufsetzte - oder weil es einfach hilfsbereite Tiroler sind, werde ich bzgl. meines dringenden Bedarfs nach einem Super-Kleber für meinen linken Schuh direkt zum entsprechenden Regal geleitet und beraten.

Im Aufstieg zur Alpeiner Scharte am Vortag war ich mit dem linken Fuß in einer Felsspalte beim schwungvollen Erklimmen eines Absatzes stecken geblieben. Vermutlich hatte ich dabei auf der Außenseite den Geröllschutz beschädigt, der nun ein paar Zentimeter nicht mehr bündig abschließt.
Notfallpläne mit Monaco-Schuh einfliegen hatte ich auch schon durchgespielt (ich wäre bestimmt DER Hingucker mit einem schwarzen und einem orangen, aber baugleichen Schuh auf der restlichen Tour gewesen :-), aber das optimale Timing zum Kauf des Klebers könnte ebenfalls genügen.

Klar ist, daß ich die Etappe nicht nach Plan hier beende, bereits am Vortag hatte ich die Option bis zur Bergeralm (Skigebiet an der Brennerautobahn) weiterzugehen favorisiert. Aber weitere zwei Stunden sind auch nicht viel, denn noch ist das Wetter gut und die nächste Kaltfront ist bereits angekündigt.

Also schnell Karte, GPS und Booking.com konsultiert und Quartier in Trins im Gschnitzer Tal gebucht.
Etwas Druck und konkrete Ziele steigern die Motivation und gutes Essen, Sauna und WLAN klingen verlockend.

Die bisherige Brenner-Bahnlinie legt um St. Jodok eine Art Schlinge in die Landschaft, vermutlich um Höhe zu gewinnen. Der Brenner-Basis-Tunnel verläuft nur wenige Meter östlich daneben (aber natürlich deutlich unter Tage und ohne solche Schleifen).

In Stafflach (zwischen Steinach im Norden und Gries am Brenner im Süden) kreuze ich die Brenner-Bundesstraße und auf der anderen Seite geht es über einen Fußweg durch den Wald bergauf und schließlich in Wiesengelände unter dem imposanten Brückenbauwerk der Brennerautobahn hindurch.

Kurz danach sind Markierungen und Wegweiser nicht mehr existent und die verfügbaren Kartenmaterialien weisen unterschiedliche Wegführungen aus.

Es endet damit, daß ich steil eine Wiese aufsteige und mich die Bremsen in dieser Höhenlage fast auffressen. Drei Mal (2x abwärts + hier aufwärts) passiere ich heute diese Höhenlage zwischen 1.200 und 1.400 Metern und muß mich der Attacken erwehren. Persönlicher Rekord: Vier Tote auf einen Schlag.

Am Hummlerhof erreiche ich eine Straße und ein paar Meter weiter geht es in den Wald gen Bergeralm. Über Markierungen und Wegweiser brauchen wir nicht zu reden, letztlich werde ich erst am Mittag des Folgetages ab Feuerstein wieder ordentliche Wegweisung vorfinden.

Um die 500 Aufstiegsmeter sind ab Stafflach zu absolvieren, da ich den ganzen Vormittag aber eigentlich nur abwärts unterwegs war, ist der Aufstieg eine nette Abwechslung, aber natürlich trotzdem bei noch schönem Wetter schweißtreibend.

Die Bergeralm ist eine große Lift-Baustelle, wahrscheinlich hätte ich hier gerade gar nicht übernachten können. Nach einem nicht besonderen Apfelstrudel und etwas zu Trinken etwas oberhalb geht es dann in den Abstieg gen Trins.

Dank GPS finde ich den Abzweig von der Forststraße auf einer Höhe von 1.468 Metern punktgenau und kurz danach sieht das eine Schild nach Trins nach Vorkriegsmodell aus. Es ist auch nur mit Mühe zu finden - also wenn man am Abzweig (dank GPS) schon weiß, daß man abzweigen muß.

Eine einheimische Pilzsucherin erschrecke ich danach (unbeabsichtigt) etwas - wahrscheinlich kommt in ihrem Revier sonst nie jemand vorbei. Kurz danach führt nur noch ein schmaler Pfad durch den Wald bergab, wo immer wieder umgestürzte Bäume weiträumig umgangen werden müssen. Der Weg hat schon lange keine Pflege mehr erfahren.

Am Waldrand sehe ich Trins zwar schon direkt gegenüber, muß aber erst irgendwie die Talsohle erreichen, durchschreiten und dann nordseitig wieder etwas aufsteigen.

Mangels Markierung oder Wegweisung gehe ich letztlich an einer Wiese entlang und da der Holzzaun zu altersschwach zum darüber klettern ist, biege ich eben die Latten weiter aus der Vernagelung, um durchzuschlüpfen - da bin ich wohl nicht der erste ...

Am Fluß dann eine Markierung, allerdings unverständlich und Schilder, daß private Brücke über die tiefbraune Blubberbrühe des Gschnitzbachs (komisch: schönes Wetter und so eine braune Brühe ?) nicht befahren bzw. begangen werden darf.
Leute, Ihr könnt mich mal gern haben und mir den Schuh aufblasen (nach 8 Wochen unterwegs garantiert kein Spaß ;-): Kümmert Euch um Markierungen/Wegweiser oder lebt damit, daß ich langgehe wie/wo es mir paßt.

Kurz danach erreiche ich an der Hauptstraße das Hotel Wienerhof. Die Sauna ist im Keller gegenüber und so abweisend das Haus und die Einfahrt von außen aussehen (Teile des Hauses gehören drei unterschiedlichen Parteien und eine davon hat gerade vergeblich - zu viel Wasser - nach Erdwärme gebohrt), so einladend ist der Saunabereich individuell gestaltet. Wirklich toll und so noch nicht gesehen.
Die Chefin kämpft zwar mit der Technik, aber ihr Mann bringt die Sauna dann noch in Gang. Die beiden haben von der Elterngeneration erst die Verantwortung für das Hotel & Co übernommen, aber bereits einige (positive) Veränderungen und Umbauten in Gang gesetzt.

Von den Wirtsleuten erfahre ich auch, warum der Bach so schlammig aussieht: In der letzten Nacht sind weiter hinten im Tal mindestens fünf Muren abgegangen. Eine direkt in die Hauptstraße von Gschnitz, so daß der hintere Teil des Tals von der Außenwelt abgeschnitten war.

Ich suche im Netz nach entsprechenden Berichten und die Bilder sind grausig:
Auf einem Parkplatz der Innsbrucker Hütte wurden auch einige Autos weggespült und im Geröll/Schlamm einzementiert. Zwei Personen hatten dort nachts im Auto geschlafen und waren wohl gerade nach rechtzeitig aus dem Auto gekommen, bevor es verschoben und eingeschlossen wurde.

Das Abendessen ist später auch ein Genuß.
Und mit dem Holzspieß vom Grillteller lassen sich perfekt der Schmutz und die kleinen Steinstückchen zwischen Geröllband und eigentlichem Schuh entfernen. Da es erst abends gewittert, sind die Schuhe auch trocken und können geklebt werden.


Begegnungen:
2 Mädels auf der München-Gardasee-Route: Rosenwirth-Route (am Morgen auf Geraer Hütte)
1 kleiner Frosch
2 Rehe
ca. 42 tote Bremsen

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