Freitag, 18. August 2017

Tag 60: Der Motor läuft rund

Gestern Nachmittag und Abend hatte ich nach der eher zahmen Etappe bis nach Praxmar noch einen ordentlichen Work-out in Form von Treppensteigen zu bewältigen: Mein Lager 301 soll im dritten Stock sein. Es ist (wie von ihr befürchtet) verschlossen, also wieder retour zur Chefin. OK, Lager 302 habe ich jetzt ganz für mich. Dann die Waschmaschine im zweiten Untergeschoß des ein Stockwerk niedriger liegenden Nachbargebäudes gegenüber. Zurück ins Lager, Wäsche sammeln, zur Waschmaschine. Nach drei Stunden mal nachsehen und feststellen, daß jemand so nett war, meine Wäsche aus Maschine zu nehmen und aufzuhängen. Ab in die Sauna im ersten Stock über das Lager, zurück ins Lager, zum Essen ins Erdgeschoß. Dann ins Bett. Am Morgen zur Wäsche. Nach dem Frühstück ins Lager und in den Schuhraum.

Macht addiert 67 überwundene Stockwerke. Puh.

Und schon geht es für heute los. Allerdings erst um 09:00 Uhr. Und das obwohl der 02a-Führer eine 9 Stunden Etappe avisiert. Es kann also ein langer Tag werden.

Das Zwischenziel Pforzheimer Hütte ist mit 5 Stunden angeschrieben. Falls frühzeitig Gewitter aufziehen, würde ich dort bleiben, ansonsten möchte ich zur Guben-Schweinfurter-Hütte weitergehen.

Der Weg führt über einen wunderschönen Pfad anfangs durch den Wald, später über Wiesengelände kontinuierlich bergauf. Selten sind wirklich steile Stellen dabei. Bis zum ersten Übergang sind heute ca. 1.000 Aufstiegsmeter zu gehen und irgendwie bin ich deutlich vor der angeschriebenen Zeit am Satteljoch auf 2.735 Metern.


Auch die angeschriebene Abstiegszeit zur gegenüber bereits sichtbaren Pforzheimer Hütte kann ich trotz Gegenanstieg vom Flußlauf im Tal nicht glauben.


Der Beginn des Abstiegs ist ähnlich wie gestern: Steil und etwas bröselig. Dieser Part ist aber deutlich kürzer als gestern und dann geht es in Serpentinen ins hintere Gleirschtal hinab.

Nach Passieren einiger Kühe, Schafe und des Gleirschbachs muß ich wieder den Hang entlang gut 100 Höhenmeter zur Pforzheimer Hütte aufsteigen.

Dort bewahrheitet sich mal wieder: Immer fragen, was die Tagessuppe ist !
So erhalte ich mitten in Tirol eine Ungarische Krautsuppe. Das gab es in all den Wochen noch nirgends und schon gleich gar nicht im Burgenland, wo ich teilweise in der Nähe des Neusiedler Sees nur einen Steinwurf von Ungarn entfernt war. Die Suppe ist mit einigen speziellen Gewürzen super lecker und auch mal ganz was anderes als die üblichen Speckknödel- oder Kaspressknödel-Suppen.


Ein Marillen-Mohn-Strudel rundet die kurze Mittagspause ab.


Kurz vor dem Abmarsch gen Westen über die nächste Scharte zur Schweinfurter Hütte, lerne ich noch eine Bedienung von dort kennen, die heute tagsüber frei hat und mit ihrer Mutter als Ausflug herüber gelaufen ist und nun auch wieder zurück muß.
Sie malt den Teufel an die Wand: Hütte bereits inklusive Notlager komplett ausgebucht.

Mmmh, mittags 13:15 Uhr und Notlager reserviert. Klingt nach Widerspruch in sich.
Bis jetzt bin ich noch immer (sehr) (gut) untergekommen - ok, ok, vom unwilligen Gerald am Rennfeld bei Bruck an der ohne-h-Mur wollen wir nicht schon wieder reden ;-)

Aber meine mehrstufige Verhandlungsstrategie steht: Ist ja eine DAV-Hütte, also sollte auf alle Fälle auch 90%-Regel greifen. Zusätzlich natürlich noch Schutzhütten-Ass im Ärmel.

Zuerst gilt es aber die gut 400 Höhenmeter zum Gleirschjöchl aufzusteigen. Als ich oben ankomme, sind die beiden Damen mit ihren Tagesrucksäcken noch weit unter mir.


Der letzte Abstieg für heute führt hinab ins Zwieselbachtal und das letzte Stück auf dem Schottertalweg zur Schweinfurter Hütte auf 2.034 Metern.

Statt der laut Führer befürchteten 9 Stunden bin ich nur 6,25 gegangen. Nie gehetzt und doch so flott: Heute lief es irgendwie wie geschmiert.

Ich bekomme noch problemlos ein Lager im augenscheinlich neu umgebauten Nebengebäude. Der Raum ist augenscheinlich der Winterraum: 8 Lager in zwei Ebenen, Ofen und Tisch mit Eckbank.
Nebenan Toilette und zwei Räume weiter eine Dusche, allerdings noch nicht installiert. Zwei weitere, kleine Räume sind bis auf jeweils eine Matratze noch gänzlich leer.

Als die mittelfränkische Fraktion am Nebentisch mitbekommt, daß ich am nächsten Tag zur Erlanger Hütte gehen will, geht ein Raunen durch die Erlanger/Forchheimer. Ich hake nach, denn nicht daß ich etwas übersehen habe, aber nein, meine Abschätzung von ca. 25 km, 1.700 Aufstiegsmetern und einer Gehzeit von 7,5 Stunden erscheint auch den örtlichen Experten als realistisch - aber viel.
Ok, das ist mir klar, wenn auch nicht übertrieben.

Am Abend unterhalte ich mich dann noch nett mit meinen Tischnachbarn von der US-Westküste (er gebürtiger Deutscher): Nachdem sie in allen möglichen Ländern in Nord-/Mittel-Amerika waren, sind Frederik und seine Frau nun gerade auf Europa-Tour. Die beiden sind auch länger unterwegs, ihre Hüttentour in den Alpen aber nur ein kleiner Teil ihrer großen Reise.
Wir unterhalten uns über dies und das, auch über die großen drei US-amerikanischen Fernwanderwege (PCT, CDT, AT), aber da braucht sich meine bessere Hälfte ja nicht zu sorgen: Ich mache ja Wander-Urlaube, keine alternativen stressigen Jobs und die Sache mit Minimalismus und vor allen Dingen maximal Zelt ist eh nicht so meines.

Im Lager komme ich dann noch mit Birgit ins Gespräch (über Fern-Wanderungen), die zwar eigentlich aus dem Mostviertel kommt, die aber nach ihrem Studium in Innsbruck bereits sehr schnell ob der Nähe zu den Bergen wieder dorthin zurückgekehrt ist. Die Wahl-Tirolerin hatte ein glückliches Händchen und genau die drei Tage mit super Wetter für ihre Tour erwischt.


Begegnungen:
Bedienung der Schweinfurter Hütte mit Mutter mittags auf der Pforzheimer Hütte
2 Murmeltiere
4 Erlanger/Forchheimer auf der Schweinfurter Hütte
Anisja + Malte (Studenten aus Jena/Tübingen)
Frederik + Frau (aus USA auf 2-monatiger Amerika- und Europareise)
Birgit aus dem Mostviertel und Wahl-Innsbruckerin


2.000er:
Satteljoch, 2.735
Gleirschjöchl, 2.751

5 Kommentare:

  1. Wehe wer sich den Unmut des Paten zugezogen hat, der Unmut bleibt lebenslänglich. Egal ob Ortschaft (Stichwort: Ferlach) oder Hüttenwirt.

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    1. Hallo Volker.

      Wenn ich mich denn mit Grabstein bestatten lassen würde, könnte ich den Unmut sogar noch über mein Ableben hinaus mindestens 30 Jahre der Nachwelt erhalten.
      Wäre mal eine alternative Form der Grabinschrift und das erste (für mich) sinnvolle Argument für ein klassisches Grab.

      Lebendige Grüße aus dem Oberen Inbtal,
      K2.

      P.S.: Einseitigkeit lasse ich mir aber nicht nachsagen: Positives (wie die Torte auf der Tiroler Tribulaunhütte) bleibt mindestens genauso nachhaltig unvergessen.

      P.S.S.: Aber ja, um Ferlach sollte man großen Bogen machen ! ;-)

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  2. Oh ich würde da jetzt ein Hotel in Madagaskar in die Liste aufnehmen. Werde es noch verlinken ;-)

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    1. Das, welches Ihr versucht habt, warm abzureißen ?

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    2. Genau. Wäre nur schade ums Gepäck gewesen...

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